Im Erfolg liegt die Gefahr

Christian Hafer (Leiter Arbeitskreis Unternehmertum), Professor Rüdiger Kabst sowie Felix Hagelüken (Vorsitzender der Wirtschaftsjunioren Paderborn + Höxter) (Foto: GAUSEMEIER PR)
Christian Hafer (Leiter Arbeitskreis Unternehmertum), Professor Rüdiger Kabst sowie Felix Hagelüken (Vorsitzender der Wirtschaftsjunioren Paderborn + Höxter) (Foto: GAUSEMEIER PR)

Der Arbeitskreis Unternehmertum der Wirtschaftsjunioren Paderborn + Höxter lud zum Dinnerclub-Gespräch. Gastredner Professor Rüdiger Kabst erstaunte die Gäste mit einem provokanten Thema.

Der Inhaber des Lehrstuhls für International Business an der Universität Paderborn beobachtet erfolgreiche Unternehmen und ganz besonders deren Entwicklung nach dem Erfolg. „Die Gefahr im Erfolg liegt einfach darin, dass Unternehmen sich nach der harten Arbeit auf ihrem Erfolg mehr oder weniger ausruhen, beziehungsweise sich dann weniger um Innovationen bemühen, die den nächsten Erfolg auslösen könnten“, so Kabst.

Dabei führt er Beispiele von ihm sehr geschätzten Unternehmen an, die trotz weltweiten Erfolges heute in ihren angestammten Märkten kaum noch eine Rolle spielen: Nokia mit seinen Mobiltelefonen, Sony mit seinem Erfolgsprodukt, dem damals besten Walkman und Kodak Eastman mit der Entwicklung der Polaroid-Kamera, die ebenfalls ein völlig neues Produkt auf dem Markt darstellte. „Man wird immer nur für die Erfolge der Vergangenheit gelobt. Wirklich durchschlagende und gute Produkte auf den Markt zu bringen, erfordert eine lange Entwicklung und harte Arbeit.

Nach dem Erfolg mache sich häufig eine gewisse Erschöpfung im Unternehmen bemerkbar. Man ruht sich erst einmal aus. Häufig ginge es dann – insbesondere bei den Führungskräften – nur noch darum, ob der Dienstwagen ebenbürtig zu dem des Kollegen sei und ob man nun das Eckbüro mit dem höheren Status beziehen könnte. Das System „Unternehmen“ wird zusehends träge und es etabliert sich schleichend eine Kultur der Sicherheit. „In dieser Phase spülen Führungskräfte für die Vorstände in der Regel nur noch alles konform. Innovationen finden nur noch minimal statt. Es fehlt die Durchsetzungskraft, eine echte Revolution für ein neues Produkt anzuzetteln.“ Das liege unter anderem an unserer nicht vorhandenen Fehlerkultur in Deutschland.

„In den USA gehen Produkte oft mit einer Marktreife von 80 Prozent auf den Markt“, so Kabst. Dass ein innovativer Unternehmer häufiger scheitert, als dass er Erfolge aufweist, sei in der amerikanischen Kultur kein Stigma. Eine Entwicklung wie das Bezahlsystem PayPal wäre sonst wohl nicht möglich gewesen. Nach drei gescheiterten Unternehmensgründungen und einem vierten Unternehmen, das soeben überlebensfähig war, kreierte Max Levchin PayPal und traf damit genau das Bedürfnis der Kunden. Sicheres Bezahlen im Internet war endlich möglich.

Rüdiger Kabst ist davon überzeugt, dass dies in Deutschland nicht realisierbar gewesen wäre: „Das hätten schon allein die Banken nicht mitgemacht. Levchin hätte hier wohl kein Kapital zusammengebracht“. Kabst sieht aber auch die Gefahr darin, dass in Deutschland inkrementelle Veränderungen bei Produktinnovationen an der Tagesordnung sind. Damit ist die schrittweise Fortentwicklung von Produkten gemeint: von der Version 2.0 zu 2.1 zu 2.2 und so fort. „Das funktioniert so lange, bis ein Branchenfremder mit einer neuen – oft aus dem Querdenken entstandenen – Idee auf dem Markt kommt und alles Bisherige in den Schatten stellt“, weiß Kabst. Hierbei handele es sich häufig um die Arbeit von Startup-Unternehmen, die schneller agieren können, als große, etablierte Konzerne.

Kabst appelliert an die Unternehmer, Fehler zuzulassen, denn Innovationen seien das wichtigste Element im Unternehmen um langfristig erfolgreich zu sein. „Mitarbeiter müssen ermutigt werden, innovativ sein zu dürfen und keine Angst vor Fehlern zu haben. Heute sind Karrierepfade im Unternehmen so gelegt, dass man maximal einmal scheitern kann. Anschließend darf nichts mehr schiefgehen“, kritisiert der Professor. Oft sei es auch so, dass es revolutionäre Ideen von Mitarbeitern gar nicht über die Hürden der Hierarchie- Ebenen schaffen.

Noch schlimmer sei es allerdings, wenn Führungskräfte die Ideen von Mitarbeitern als ihre eigenen verkaufen um selbst Karriere zu machen. „Das fördert nicht gerade die Lust bei Mitarbeiten selbst kreativ zu sein“, ist sich Kabst sicher. Er fordert stärkeres Intrapreneurship in den deutschen Unternehmen: unternehmerisches Denken, höhere Geschwindigkeit, Querdenken und das Zulassen von disruptiven Innovationen seien die Schlüssel für lange Marktfähigkeit. Unternehmen, die mit disruptiver Innovation erfolgreich sind, finden versteckte Kundenbedürfnisse und sie erkennen Trends und Marktlücken, die ein hohes Potenzial haben. Gleichzeitig sind sie bereit, für den Markteinstieg Risiken einzugehen – finanziell, technologisch und unternehmerisch. Kabst empfiehlt jedem Unternehmen Inkubatoren für revolutionäre Innovationen aufzubauen oder sich mit Wagniskapital an Startups zu beteiligen.

Damit neue Ideen sich erfolgreich entwickeln können, berichtete Kabst von einem Beispiel aus dem Extremsport. Der Langstreckenradfahrer Christoph Strasser bereitete sich auf das Race Across America vor. Hier gilt es 4.800 Kilometer von der Westküste zur Ostküste in einer festgelegten Zeit zu fahren. In maximal 12 Tagen müssen die Fahrer die Strecke bewältigen. Das geht nur, wenn die Sportler maximal zwei Stunden pro Tag schlafen und für Nahrungsaufnahme etc. nicht vom Rad steigen. Strasser schaute nicht darauf, wie sich seine Konkurrenten vorbereiteten. Er blickte über den Tellerrand hinaus, als es um die Frage ging, wie schaffe ich eine ausreichende Kalorienzufuhr, um bei Kräften zu bleiben.

Er fand die Lösung im medizinischen Bereich: Patienten mit gebrochenem Kiefer dienten ihm bei der Ernährung als Vorbild, um auf dem Rad hinreichend Kalorien aufnehmen zu können. Er ging dadurch bewusst neue Wege und konnte so Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz erzielen. Zwischenzeitlich konnte er das Rennen drei Mal gewinnen. Das erste Mal als jüngster Fahrer, beim zweiten und dritten Mal unterbot er seine eigenen Zeiten und stellte neue Rekorde auf. In 2014 hat er als erster Radsportler das Race Across America in nur 7 Tagen, 15 Minuten und 56 Sekunden absolviert. „Wir dürfen nicht nur auf unsere vertrauten Wettbewerber schauen, sondern auch auf innovative Lösungen, die mit unserer Branche wenig zu tun haben. Nur sie können unseren Blick auf andere Dinge schärfen“ empfiehlt Kabst, der mit dem universitären Technologietransfer- und Existenzgründungs-Center TecUP zurzeit 18 Gründungswille mit seinem Team unterstützt.

www.wj-pb-hx.de

Veröffentlicht von

Sascha Brinkdöpke

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