Ausbildungsmarkt: Wettbewerb um Nachwuchskräfte verschärft sich

Das Berufsausbildungsjahr 2016/2017 endete am 30.September. Bewerber haben aktuell auf dem Ausbildungsmarkt beste Chancen.
Ziehen gemeinsam Bilanz zum Ausbildungsmarkt (v.l.) Gitta Mäulen (Leiterin Grafschafter Jobcenter), Hans-Joachim Haming (Vors. Geschäftsführung Agentur für Arbeit Nordhorn), Stefan Kley (stellvert. Leiter Jobcenter Emsland), Harald Schlieck (stellv. Hauptgeschäftsführer  HWK Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim), Eckhard Lammers (Geschäftsf. IHK Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim), Dieter Onnen (Teamleiter Berufsberatung Agentur für Arbeit Nordhorn). (Foto: Agentur für Arbeit Nordhorn)

Das Berufsausbildungsjahr 2016/2017 endete am 30.September. Zusammen mit den Ausbildungsmarktpartnern der Industrie- und Handelskammer, der Handwerkskammer, dem Grafschafter Jobcenter und dem Jobcenter Emsland bilanzierte die Agentur für Arbeit Nordhorn die Situation auf dem Ausbildungsmarkt.

Agentur für Arbeit Nordhorn Der Wettbewerb um Nachwuchskräfte für Betriebe verschärft sich weiter und Bewerber haben nach wie vor beste Chancen – so lässt sich das Ausbildungsjahr 2016/2017 bilanzieren. Nahezu alle Lehrstellensuchenden konnten eine Berufsausbildung beginnen. Es meldeten sich 3.290 Ausbildungsplatzsuchende bei den Berufsberatern der Arbeitsagentur und den Jobcentern, 226 oder 6,4% weniger als im letzten Jahr. Demgegenüber zeigten die Betriebe 5.601 Ausbildungsstellen an: 160 oder 2,9% mehr als im Vorjahr.

„Erneut hat sich die Nachwuchslücke im Vergleich zum letzten Jahr vergrößert. Und es steht aufgrund der Fachkräftebedarfe einerseits und der Berufswahlentscheidungen der Schulabgänger andererseits auch für die nächsten Jahre zu befürchten, dass die Schere weiter auseinandergeht“, kommentiert Achim Haming, Vorsitzen- der der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Nordhorn die Entwicklung in der Region auf dem Ausbildungsmarkt an Ems und Vechte. „Immerhin haben wir dieses Jahr keinen Schülerrückgang an allgemeinbildenden Schulen zu verzeichnen. Für 2018 werden sogar drei Prozent mehr Schulabgänger erwartet – vielleicht ein kleiner Lichtblick für die Betriebe bei ihrer Suche nach zukünftigen Fachkräften“. Die Tendenz der Jugendlichen, sich gegen eine Lehre zu entscheiden, sei arbeitsmarktlich nicht nachvollziehbar. „Hier werden viele Chancen nicht wahrgenommen: So liegt die Arbeitslosenquote für Techniker und Meister unterhalb der Quote für akademische Berufe“, so Haming. Den Betrieben rät er, auch das Instrument der Teilzeitausbildung beispielsweise für Berufsrückkehrende zu nutzen und auch schwächeren Kandidaten eine Chance zu geben. „Sämtliche Förderinstrumente für die Ausbildung stehen unverändert zur Verfügung“, so der Arbeitsmarktexperte.

An Ems und Vechte blieben 202 Ausbildungsstellen unbesetzt, 117 weniger als 2016. Vor allem Ausbildungsstellen im Handel und Fachverkauf, in den handwerklichen Anlagen-, Elektro-, und Metallberufen und im Hotel- und Gastronomiebereich waren schwer zu besetzen.

Bei den Jugendlichen, die sich für eine duale Ausbildung entscheiden, waren die am häufigsten gewählten Berufe bei den Jungen die Ausbildungen zum Kaufmann für Büromanagement, Kfz-Mechatroniker (Pkw-Technik), Kaufmann im Einzelhandel und Tischler. Bei den Mädchen waren es die Ausbildungen zur Kauffrau für Büromanagement, Verkäuferin, Kauffrau im Einzelhandel und Medizinische Fachangestellte.

Im vergangenen Jahr meldeten die Betriebe der Arbeitsagentur Nordhorn 5.601 betriebliche Ausbildungsstellen. Besonders viele Stellen wurden für die Ausbildungen zum/zur Kaufmann/-frau für Büromanagement, Kaufmann/-frau im Einzelhandel, Landwirt/-in, Fachkraft Lagerlogistik, Industriekaufmann/-frau, Metallbauer/in Konstruktionstechnik und Elektroniker/in Energie- und Gebäudetechnik angeboten.

Zum Stichtag 30.09.2016 hatten nur 69 Bewerber/-innen noch keine sichere Perspektive, verglichen mit dem Vorjahr eine Erhöhung um 27 Personen. 25 der unversorgten Jugendlichen kommen aus der Betreuung Bereich der Agentur für Arbeit und 44 Jugendliche aus der Jobcenterbetreuung.

Grafschafter Jobcenter

Der Ausbildungsmarkt im Ausbildungsjahr 2016/2017 ist aus Sicht des Grafschafter Jobcenters von einem weiterhin großen Angebot an offenen Ausbildungsstellen geprägt. Eine Vielzahl von Unternehmen unserer Region räumen der betrieblichen Ausbildung eine hohe Bedeutung im Hinblick auf die Entwicklung zukünftiger Fachkräfte im eigenen Unternehmen ein. Unternehmen engagieren sich und geben auch Bewerbern mit einem ungewöhnlichen Lebenslauf eine Chance.

Gleichzeitig münden die Ende 2015 und Anfang 2016 im Landkreis Grafschaft Bentheim angekommenen jungen Flüchtlinge zum Teil in den Ausbildungsmarkt ein. Viele junge Menschen haben durch das Engagement der Unternehmen im Rahmen von Praktika einen Einblick in den hiesigen Arbeitsmarkt erhalten. So ist es in gemeinsamer Anstrengung gelungen, sowohl Flüchtlingen im Leistungsbezug beim Jobcenter als auch jungen Asylbewerbern den Start in eine betriebliche Ausbildung oder in eine Einstiegsqualifizierung zu ermöglichen. Durch das Integrationszentrum wurden im Landkreis Grafschaft Bentheim gute organisatorische Voraussetzungen für die Umsetzung dieser Aufgabe beschaffen.

Mit dieser Entwicklung ist aber auch die Notwendigkeit einer stärkeren Begleitung und Unterstützung der Jugendlichen und Unternehmen nach Aufnahme der Ausbildung oder Einstiegsqualifizierung verbunden.

Jobcenter Emsland

Das Ausbildungsjahr 2016/2017 hat sich für das Jobcenter des Landkreises Emsland und für die Jugendlichen in der Betreuung des SGB II im Vergleich zum Vorjahr noch einmal erfolgreicher entwickelt.

Die Zahl der Integrationen in Ausbildung konnte noch mal deutlich gesteigert werden und auch die Zahl der unversorgten Bewerber befindet sich auf einem konstant niedrigen Niveau. Die intensive Betreuung der Bewerber durch die Fallmanager/innen des Jobcenter Emsland, die gute und ortsnahe Vernetzung zur heimischen Wirtschaft und der nach wie vor sehr aufnahmefähige Arbeits- und Ausbildungsmarkt haben für eine weiterhin positive Entwicklung gesorgt. Bei der Vielzahl an offenen Ausbildungsstellen könnte jeder ausbildungsreife Jugendliche einen Ausbildungsplatz erhalten. Viele Jugendliche entscheiden sich jedoch für die Fortsetzung der schulischen Laufbahn, wenn es keine Möglichkeit der Ausbildung im Wunschberuf gibt.

Mit dem Einstieg in die Ausbildung geht die Arbeit der kommunalen Arbeitsförderung weiter. Es werden weiterhin Kontakte zu den Bewerbern und Betrieben gehalten, um die Ausbildungsplätze nachhaltig zu sichern. So werden z.B. in vielen Fällen ausbildungsbegleitende Hilfen initiiert oder auch ein weiteres Coaching der Jugendlichen eingesetzt.

Bei der Integration von Flüchtlingen in den Ausbildungsmarkt sind ebenfalls die ersten Erfolge zu vermelden. Allerdings werden für das aktuell angelaufene Ausbildungsjahr noch deutliche Steigerungen erwartet. Längere Verweildauern in Integrations- und Sprachkursen und noch fehlende Kenntnisse des deutschen Ausbildungssystems sind aktuell noch als Hemmnisse für einen frühzeitigen Einstieg in Ausbildung zu benennen.

Handwerkskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim

Die konjunkturelle Entwicklung des Handwerks im Kammerbezirk Osnabrück–Emsland–Grafschaft Bentheim bleibt nach wie vor auf Rekordniveau. Insbesondere die gute Umsatzentwicklung sowie die stabilen Auftragseingangszahlen führen zu dieser positiven Bewertung.

Daraus resultiert eine positive Beschäftigungsentwicklung bei den Handwerksbetrieben im Emsland und in der Grafschaft. „Darum schmerzt es in dieser positiven Wirtschaftslage besonders, dass auch in diesem Jahr zahlreiche Ausbildungsplätze nicht besetzt werden konnten. Das Handwerk braucht seinen Nachwuchs unbedingt. Sonst steht das Handwerk trotz guter wirtschaftlicher Lage am Ende als Verlierer da“, so der stellvertretende HWK-Hauptgeschäftsführer Harald Schlieck.

Aus Sicht der Bewerber hat sich der Ausbildungsmarkt weiter positiv entwickelt. In der Region Emsland-Grafschaft Bentheim gibt es auch in diesem Jahr so gut wie keine Jugendlichen, deren realistischer Wunsch einer Berufsausbildung im Handwerk nicht erfüllt werden konnte. Trotzdem verzeichnet die Handwerkskammer zum Stichtag 1. Oktober 2017 erneut einen leichten Rückgang bei den neu abgeschlossenen Lehrverträgen. Zu diesem Zeitpunkt schlossen 1358 Auszubildende einen Lehrvertrag ab, 2016 waren es noch 1454 Verträge.

„Wir sind am Ende froh, fast erneut den Stand des letzten Jahres erreicht zu haben und die Handwerksbetriebe sich in großen Teilen weiterhin aktiv in der Ausbildung ihres eigenen Fachkräftenachwuchses engagiert haben“, stellt Schlieck fest.

Die Vorbereitungen für das nächste Ausbildungsjahr laufen bereits. Das Bemühen um handwerklichen Nachwuchs wird gemeinsam mit den Innungen und Kreishandwerkerschaften auch im nächsten Jahr fortgesetzt. „Wir möchten die Schulabgänger aller Schulformen ansprechen und sie noch mehr auf die guten Karrieremöglichkeiten mit einer beruflichen Ausbildung aufmerksam machen. Mit dieser Empfehlung wollen wir auch die Eltern überzeugen“ beteuert der stellvertretende HWK-Hauptgeschäftsführer. Schlieck zählt dabei auf das gut strukturierte Beratungsnetzwerk der Agentur und der Kammern.

Industrie- und Handelskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim

„Schon jetzt ist der Fachkräftemangel ein Geschäftsrisiko für jedes zweite Unternehmen. Fehlende Fachkräfte bedeuten weniger Wachstum und Wohlstand“ betont IHK-Geschäftsführer Eckhard Lammers. Zwar wurden im Bezirk der Arbeitsagentur Nordhorn bis Ende September insgesamt 1.900 neue Ausbildungsverträge von IHK-zugehörigen Unternehmen abgeschlossen. Der Anstieg (+ 2,4 Prozent) sei zwar erfreulich, reiche aber nicht aus, um den Bedarf der Unternehmen an künftigen Fachkräften zu decken. „In der Konsequenz können heute doppelt so viele Betriebe ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen wie vor zehn Jahren. Nach unseren Umfragen ist das bei knapp einem Drittel der Unternehmen der Fall“, so Lammers weiter.

Die IHK engagiere sich deshalb dafür, mehr junge Menschen für eine betriebliche Ausbildung zu gewinnen. Dazu gehöre eine umfassende und praxisnahe Berufsorientierung in der Schule. Besonders an den Gymnasien bestehe hier noch Nachholbedarf. Die IHK unterstützt Unternehmen außerdem dabei, zusätzliche Potenziale für die betriebliche Ausbildung zu erschließen, insbesondere Studienabbrecher, Lernschwächere und Flüchtlinge.

www.arbeitsagentur.de

Veröffentlicht von

Sascha Brinkdöpke

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