Ausbildungsbereitschaft erhöhen – Migranten integrieren

Kreis Steinfurt. Die Geschäfte gehen gut im Unternehmen von Karl-Hans Albers. Und doch hat der Geschäftsführer der Elektro Albers GmbH & Co.KG mit Sitz in Ochtrup allen Grund zur Klage. An die 20 Elektriker könne er zusätzlich beschäftigen, sagt der Obermeister der Elektro-Innung Steinfurt. Doch woher nehmen? Es sind Probleme wie diese, die am Mittwoch beim Werkstattgespräch von Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf (KH) und der Agentur für Arbeit im Raum standen.

Anlässlich der bundesweiten Fachkräftewoche suchten Handwerksunternehmer, Kreishandwerkerschaft und die Agentur für Arbeit den Austausch über ein komplexes Themenfeld. Dabei zeichneten sich vor allem zwei Lösungsansätze ab: eine Verbesserung der Ausbildungsbereitschaft von jungen Menschen und eine gute Integration von Zuwanderern in den deutschen Arbeitsmarkt.

Einvernehmlich bemängelten alle Gesprächsteilnehmer, dass sich immer weniger Haupt- und Realschüler nach ihrem Abschluss für eine Berufsausbildung entscheiden. „Viele junge Menschen besuchen erst noch eine weitere Schule, ohne dass sie wissen, was sie dann mit dem Abschluss eigentlich anfangen möchten“, beschrieb Hans- Gerhard Gajewski, Geschäftsführer Operativ der Agentur für Arbeit, das Problem. Dabei sei ein höherer Schulabschluss keinesfalls gleichbedeutend mit besseren Chancen. „Die Noten werden nämlich nicht besser“, so Gajewski. Mehr Überzeugungsarbeit muss nach Meinung von KH-Hauptgeschäftsführer Frank Tischner auch bei Eltern und Lehrern geleistet werden. Eine handwerkliche Ausbildung und Karriere im Handwerk werde laut einer Studie der OECD in akademischen Haushalten als sozialer Abstieg gewertet. Auch Lehrer hätten teilweise zu geringe Kenntnisse über die Stärken der dualen Ausbildung im Handwerk.

Zudem bemängelte er eine gesellschaftliche Schieflage. Während die öffentliche Hand die berufliche Ausbildung eines jungen Menschen im Handwerk mit wenigen hundert Euro bezuschusse, koste jeder Studierende den deutschen Steuerzahler einige tausend Euro. Kreishandwerksmeisterin Erika Wahlbrink machte sich für eine Politik der kleinen Schritte stark. Besuche von Schulklassen und Kindergruppen in Handwerksbetrieben seien ein Mittel, um Eltern, Lehrer und Begleitpersonen von den Möglichkeiten im Handwerk zu überzeugen. Hans-Gerhard Gajewski forderte die Betriebe auf, mehr in ihr Marketing zu investieren. Stellvertretender Kreishandwerksmeister Paul Laukötter, seines Zeichens Obermeister der Maler- und Lackierer-Innung Steinfurt sowie Landesinnungsmeister, berichtete über die guten Erfahrungen mit der aktuellen Kampagne für das Malerhandwerk. Paul Laukötter: „Wir müssen das Handwerk für junge Menschen wieder sexy machen.“

Breiten Raum nahm die aktuelle Flüchtlingskrise ein. „Wann bekomme ich denn meinen ersten arbeitslosen Syrer?“ fragte Karl-Hans Albers stellvertretend für so viele Handwerksunternehmer, die nur allzu bereit sind, qualifizierte Flüchtlinge in ihren Betrieben zu beschäftigen. Reiner Zwilling, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Rheine, und Anke Hermeling, Teamleiterin Arbeitgeberservice bei der Agentur, bekräftigten, dass aktuell intensiv daran gearbeitet werde, Zugangswege in die Arbeitswelt zu schaffen. Dabei wolle die Agentur für Arbeit vorhandene Netzwerke nutzen. Das Augenmerk lege sie auf Flüchtlinge, die mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Bleiberecht bekommen.

Frank Tischner unterstrich die Bedeutung von Qualifizierungsmaßnahmen für Flüchtlinge. Weil nach aktuellen Erhebungen rund 84 Prozent aller Neuankömmlinge über keine nennenswerte berufliche Bildung verfügen, seien Kompetenzfeststellungs- und Qualifizierungsmaßnahmen bis hin zu Umschulungen von existentieller Bedeutung. Er verwies auf ein aktuelles Pilot-Projekt von Kreishandwerkerschaft, Technischen Schulen Steinfurt und Kreis Steinfurt. Daran nehmen 16 junge Menschen teil, die neben intensivem Deutschunterricht in den Werkstätten der Kreishandwerkerschaft verschiedenste Berufsbilder kennenlernen. Ziel ist es, die jungen Menschen im kommenden Jahr in Praktika oder Berufsausbildungen zu vermitteln.

 

Veröffentlicht von

Sascha Brinkdöpke

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